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Die Vorbereitung

Die Vorbereitungen meiner Freundin Luna für ihre letzte Reise gab die Initialzündung für HOCH LEBEN zufrieden sterben. Seit Lunas Diagnose und der Tatsache, dass ihr Tod sehr bald bevor stand, wandten sich Menschen aus ihrem nahen Umfeld eher ab als zu. Statt gerade jetzt mehr Zeit miteinander zu verbringen, hätten die Freunde, die sich regelmäßig nach ihrem Zustand erkundigten, in eine Telefonzelle gepasst.

Diese Beobachtung war nicht allein für uns, die bleiben würden und näher zusammen rückten, eine bittere Erfahrung, es war vor allem für Luna anfangs schwer zu verstehen und zu akzeptieren. Doch am Ende ging es nicht mehr um Quantität sondern um Qualität und so fand sie rechtzeitig ihren Frieden damit. Mehr noch, die Bindung zu denen, die sich ihren eigenen Ängsten um das Thema Tod stellten und Luna dadurch treu blieben, wuchs um so intensiver.

Gewissheit

Ich bin davon überzeugt, dass das Leben, dass unser Zusammenleben ein besseres, ein erfüllteres wäre, wenn wir uns bereits mitten im Leben mit unserer eigenen Endlichkeit auseinandersetzen und uns mit dem Gedanken an unseren eigenen Tod anfreunden.

Die Vorstellung unseres eigenen Todes ist angstauslösend und höchst erschreckend. Sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst zu werden, konfrontiert uns wie keine andere Wahrheit.

Doch die Gewissheit des Todes relativiert die Dinge in vielerlei Hinsicht.

Lohnt es, sich über Bestimmtes aufzuregen oder zu stressen? Will ich wirklich diesen Groll hegen? Ist das meine kostbare Zeit wert? Ist es derjenige, mit dem ich meine Zeit verbringen möchte, ob beruflich oder auch privat? Wie werde ich mich fühlen, wenn meine Zeit gekommen ist und ich auf mein Leben zurückschaue? Werde ich zufrieden sein?

Der Tod deckt unsere Probleme mit erschütternder Klarheit auf, bietet aber gleichzeitig die Möglichkeit, sie zu lösen. Der Tod macht uns verwundbar, bittet uns aber zugleich, Platz für mehr Lebendigkeit zu schaffen.

Verliert der Tod vielleicht seinen Schrecken, je direkter man ihm ins Gesicht schaut? Ist das Leben möglicherweise gerade deshalb so kostbar und besonders lebenswert, weil es den Tod gibt? Ist unser Tod vielleicht das Happy End.

Menschen inspirieren

Menschen zu inspirieren, sich diesem Thema frühzeitig zu nähern und sich damit den eigenen Ängsten zu stellen, ist meine Passion, meine Leidenschaft und der Grund, warum es HOCH LEBEN zufrieden sterben gibt. Vielleicht sind es gerade die Dinge, die niemand hören will, die Veränderungen inspirieren können. Einen veränderten Umgang mit der Endlichkeit allen Lebens, mit einem Verlust und dem Tod, der uns alle früher oder später erreichen wird.

Auch wenn wir das Gefühl der Angst vor dem Sterben nie gänzlich überwinden, könnten wir aber versuchen, ihr zu begegnen und sie vielleicht in etwas Wertvolles zu verwandeln. Versuchen wir es doch mal und trauen uns. Versuchen wir es wenigstens und fangen einfach mal an.

Meine Inspiration daraus ist, das Leben bewusst wahrzunehmen. Dankbar und präsent zu sein. Jeden Moment so anzunehmen, wie er ist. Zu lieben. Nicht zu warten und hoch zu leben, um zu jeder Zeit, wann immer diese kommen wird, bereit zu sein, zufrieden zu sterben.

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Geheimnis des Lebens

Das Geheimnis des Lebens ist, zu sterben, bevor du stirbst; und herauszufinden, dass es keinen Tod gibt.

Eckhart Tolle

Über dieses wunderbare Zitat habe ich mit Luna noch wenige Tage vor ihrem Tod philosophiert, so wie wir das oft taten in den mehr als dreißig Jahren, die wir uns kennen. Die Frequenz und Intensität dieser Gespräche erhöhte sich naturgemäß in den letzten zwei Jahren seit ihrer Krebsdiagnose im Februar 2016.

Für ihren ‚Abreisetag‘ wählte sie einen strahlend sonnigen Mittwoch im Februar 2018. Es war Valentinstag.

Dass ich den Weg zu ihrer letzten Reise so intensiv begleiten durfte, keine einzige Frage unausgesprochen und offen blieb und sie mich auch im Moment ihres Übergangs an ihrer Seite haben wollte, ist ein wunderbares Geschenk, für das ich sehr dankbar bin. Unsere offenen und ehrlichen Gespräche gehören zu den wichtigsten und schwierigsten aber zugleich schönsten, die ich je hatte. Sie waren und sind für mich so bereichernd und inspirierten mich für die Zukunft.

Das Erleben des Sterbens und die Voraussetzungen eines würdevollen Lebensendes stellten sich aus Lunas Sicht als vielschichtig dar. Neben ihren Ängsten, körperlichen Belastungen, der zunehmenden Schwäche und dem seelischen Leid, beschrieb sie den Prozess des Sterbens auch als kraftvoll, achtsam und erfüllend, in dem soziale Bindungen, wachsende Verbundenheit und Liebe eine ganz besondere Bedeutung einnahmen und ihr Leben, trotz seiner Begrenztheit, damit an Qualität und Intensität gewann. Das Sterben assoziierte Luna vor allem auch mit positiven Erfahrungen und erlebte es als eine letzte Form des Wachstums.

Anfangs konnte ich nicht verstehen, warum die Hinterbleibenden sich vom Kranken und Sterbenden abwenden, sich nicht mehr melden, jede Menge Ausreden versinnen, keine Zeit zu haben und sogar die Straßenseite wechseln, um der verkörperten Gestalt des nahenden Todes auszuweichen, oder zumindest denken, mit dieser Strategie ausweichen zu können. Denn egal, wie sehr wir uns auch bemühen, es ist schwierig, wirklich zu verstehen, dass der Sterbende weg sein wird und es ist schwer, über den Tod zu sprechen, wenn man ihn nicht begreifen und akzeptieren kann oder will. Verleugnung ist einfacher.

Letzte schöne Momente

Heute weiß ich, dass es die eigenen Ängste sind, die uns blockieren. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, dann wird es mich nicht betreffen, mir nichts anhaben, mir nicht weh tun, mich nicht verletzen. Das ist nachvollziehbar und aus dieser Perspektive verständlich. Wer stellt sich schon gern seinen eigenen Ängsten und den damit verbundenen Schmerzen, wenn man die Möglichkeit hat, ihnen auszuweichen, sie hinauszuschieben und auszublenden, in dem man einfach den Sterbenden aus seinem Leben ausblendet.

Aber die Angst holt uns ein, früher oder später steht sie mit ihrer Konsequenz im Gepäck vor uns, verstellt uns den Fluchtweg und wir können ihr nicht mehr ausweichen. Sie kommt geballter, heftiger und kälter als wir uns das je vorstellen konnten und wahrhaben wollen.

Spätestens mit dem tatsächlichen Eintritt des Todes, dem Moment, in dem es zu spät ist, können wir nicht mehr weglaufen und die Augen verschließen, dann ist sie da mit voller Wucht, die knallharte Realität mit ihrer unendlichen Reue und tiefen Trauer.

Dass der Tod vielleicht weniger schlimm sein kann, wenn man es sich mit Interesse und Mut in der Telefonzelle des Sterbenden bequem macht, um die letzte Phase gemeinsam mit schönen Momenten zu füllen, ist meine ganz persönliche Erfahrung. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass jeder Mensch in der selben Situation die richtige Wahl trifft.

Denn es ist nie zu spät, bis es zu spät ist.

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